Fördermaßnahme

ELSA - Diskurs

Veröffentlichung der Bekanntmachung: 2024
Förderzeitraum: 2025 - 2028
Gesamte Fördersumme: bis zu 3,2 Mio. Euro
Anzahl der Projekte: Vier Verbünde und fünf Einzelvorhaben mit insgesamt 13 Zuwendungsempfängern

Neue Technologien und methodische Fortschritte in den modernen Lebenswissenschaften eröffnen Lösungswege für aktuelle und zukünftige Herausforderungen unserer Gesellschaft. Sie können in einigen Fällen bedeutsame ethische, rechtliche und gesellschaftliche (ethische, legale und sozial Aspekte, ELSA) Fragen aufwerfen und fordern bestehende Wertvorstellungen heraus.
Auch systemische oder globale Entwicklungen können die Lebenswissenschaften betreffen und zu ELSA-Fragen führen. Hierfür ist ein transparenter Austausch zwischen Forschung und Gesellschaft wichtig. Denn er hat Auswirkungen darauf, wie wir unsere Zukunft gestalten. Eine pluralistische und wissensbasierte Gesellschaft braucht daher Raum und Formate für eine offene und kritische Diskussion dieser Fragen. Ein bewährtes Instrument dafür ist der Diskurs, der eine hierarchiefreie, inklusive und umfassende Auseinandersetzung über ein Thema bezeichnet.

Die geförderten Diskursprojekte werden sich mit Chancen und Risiken der gewählten ELSA-Themenbereiche in innovativen Diskursformaten auseinandersetzen. Angesprochen sind hierbei alle Bürgerinnen und Bürger, insbesondere auch junge Menschen, die frühzeitig an partizipative Dialogprozesse herangeführt werden sollen.

Die thematische Bandbreite deckt verschiedene ethische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte der modernen Lebenswissenschaften ab. Diskutiert werden u. a. ELSA-Fragen im Kontext einer zwangsfreien Psychiatrie, der Umgang mit Zukunftswissen bei Gesundheitsrisiken, der Umgang mit und Möglichkeiten der Stammzellforschung oder der Einfluss / die möglichen Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz in den Lebenswissenschaften und im Gesundheitswesen.

Die regelmäßige Auseinandersetzung mit aktuellen ELSA-Themen ermöglicht eine qualifizierte Meinungsbildung bei Bürgerinnen und Bürgern. Gleichzeitig werden die Auswirkungen aktueller Entwicklungen im Diskurs zwischen Wissenschaft und Gesellschaft aufgearbeitet. In der Folge wird ein besseres gegenseitiges Verständnis zu Chancen und Risiken im Zusammenhang mit neuen Technologien und Methoden in den Lebenswissenschaften geschaffen.

Einzelprojekte

ZaPDisk - Zwangsfreie Psychiatrie? Ein Diskurs über Herausforderungen und Zukunftsperspektiven im Umgang mit Fremdgefährdung

Förderkennzeichen: 01GP2577
Gesamte Fördersumme: 341.282 EUR
Förderzeitraum: 2025 - 2027
Projektleitung: Dr. Jakov Gather
Adresse: Ruhr-Universität Bochum, LWL - Universitätsklinikum Bochum, Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Präventivmedizin
Alexandrinenstr. 1-3
44791 Bochum

ZaPDisk - Zwangsfreie Psychiatrie? Ein Diskurs über Herausforderungen und Zukunftsperspektiven im Umgang mit Fremdgefährdung

Im Zusammenhang mit der Abwehr von Fremdgefährdung durch Menschen mit psychischen Erkrankungen kommt der Psychiatrie die gesellschaftliche Aufgabe zu, durch sichernde Maßnahmen und Behandlung – falls erforderlich auch unter Anwendung von Zwang – Dritte zu schützen. Diese sogenannte Ordnungsfunktion der Psychiatrie wird seit langem kontrovers diskutiert, im Rekurs auf die UN-Behindertenrechtskonvention sogar teils radikal infrage gestellt. Ein vollständiger Verzicht auf Zwang in der Psychiatrie ("zwangsfreie Psychiatrie") wird von verschiedenen Stimmen gefordert. Eine zwangsfreie Psychiatrie würde auf rechtlicher Ebene eine grundlegende Änderung der aktuellen Situation bedeuten und hätte erhebliche Auswirkungen auf den Umgang mit Menschen mit psychischen Erkrankungen in unserer Gesellschaft. Das Diskursprojekt verfolgt das Ziel, eine breite gesellschaftliche Debatte über das Konzept einer "zwangsfreien Psychiatrie" anzustoßen. Es soll die Perspektiven von Menschen mit psychischen Erkrankungen, Angehörigen, Fachkräften und relevanten Akteuren – vor allem Personen, die sonst vom Diskurs ausgeschlossen sind (z. B. untergebrachte Menschen im Maßregelvollzug) – einbeziehen. Zentrale Anliegen der partizipativ gestalteten und innovativen Diskursformate sind die Erhöhung der gesellschaftlichen Sichtbarkeit betroffener Personen sowie die Sensibilisierung legislativer und exekutiver Institutionen für die Bedürfnisse und Herausforderungen von Menschen mit psychischen Erkrankungen. Es soll eine Wissensbasis zur "zwangsfreien Psychiatrie" geschaffen werden, die eine informierte Meinungsbildung und Entscheidungsfindung in der breiten Öffentlichkeit ermöglicht. Die Umsetzung erfolgt in drei aufeinander aufbauenden Phasen mit unterschiedlichen Methoden und Formaten, um die heterogenen Zielgruppen, Interessen und Erfahrungen zu berücksichtigen.

SIGEL - Sicheres Gebären in vulnerablen Lebensumständen

Förderkennzeichen: 01GP2576
Gesamte Fördersumme: 336.818 EUR
Förderzeitraum: 2025 - 2027
Projektleitung: Prof. Dr. Marion Müller
Adresse: Eberhard Karls Universität, Zentrum für Gender- und Diversitätsforschung (ZGD)
Wilhelm Straße 56
72074 Tübingen

SIGEL - Sicheres Gebären in vulnerablen Lebensumständen

Ziel des Diskursprojekts SIGEL ist es, den dringend benötigten Diskurs um die Betreuung vulnerabler Schwangerer in Deutschland anzustoßen. Dafür sollen zentrale ethische, soziale und rechtliche Fragestellungen, die im Zusammenhang mit der Betreuung und Versorgung Schwangerer aus vulnerablen Personengruppen entstehen, erarbeitet werden. An den Schnittstellen von Gesellschaft, Wissenschaft und Praxis, insbesondere durch direkte Partizipation betroffener Schwangerer und Akteuren der Hebammenwissenschaft und -praxis soll öffentlich sowie in der Fachgemeinschaft verhandelt werden, wie die spezifischen Risiken und Bedürfnisse vulnerabler Gruppen besser adressiert werden können und deren Versorgung bestmöglich gestaltet werden kann. Voraussetzung hierbei ist eine entsprechende Kategorisierung von Personen als Angehörige einer vulnerablen Gruppe. Diese Markierung von Differenz und Zuschreibung von Vulnerabilität ist ein sozial voraussetzungsvoller Vorgang, der auch gewisse Gefahren mit sich bringt und daher kritisch zu reflektieren ist. Mit der Differenzierung von Menschen sind häufig auch Bewertungen von Zugehörigkeiten sowie stereotypisierte Verhaltenserwartungen verbunden. Daher erscheint es notwendig, die im Kontext der Geburtshilfe angestrebte Sichtbarmachung Angehöriger vulnerabler Personengruppen und ihrer Probleme gleichzeitig mit begleitenden Maßnahmen zur Reflektion zu flankieren. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass sowohl im Diskurs um die besonderen Bedürfnisse von Frauen aus als auch bei der praktischen Verbesserung ihrer Betreuung bei der Geburt nicht automatisch mit dem Aufrufen abwertender Zuschreibungen verbunden wird.

ReReDi - Responsive Repräsentationsstrategien in Diskursverfahren zu KI im Gesundheitswesen

Förderkennzeichen: 01GP2575
Gesamte Fördersumme: 84.980 EUR
Förderzeitraum: 2025 - 2026
Projektleitung: Prof. Dr. Christine Holmberg
Adresse: Medizinische Hochschule Brandenburg, CAMPUS GmbH
Fehrbelliner Str. 38
16816 Neuruppin

ReReDi - Responsive Repräsentationsstrategien in Diskursverfahren zu KI im Gesundheitswesen

Künstliche Intelligenz (KI) verändert das Gesundheitswesen tiefgreifend. Um den Einsatz solcher Technologien verantwortungsvoll zu gestalten, bedarf es öffentlicher Auseinandersetzungen über ihre Chancen, Risiken und gesellschaftlichen Implikationen. Diskursverfahren – strukturierte Beteiligungsformate, in denen unterschiedliche Perspektiven eingebracht und Empfehlungen erarbeitet werden – sind hierfür ein zentrales Instrument. Das Projekt untersucht, wie solche Verfahren gestaltet sein müssen, damit Teilnehmende ihre Gruppen glaubwürdig und wirksam repräsentieren. Im Zentrum steht die Frage, wie Repräsentantinnen und Repräsentanten gefunden werden, die eng mit den vertretenen Gruppen verbunden sind – durch geteilte Erfahrungen, Austausch oder institutionelle Rückbindung. Anstelle der bislang dominierenden Zufallsauswahl anhand vordefinierter Merkmale erprobt das Projekt alternative, auf Responsivität ausgerichtete Ansätze. Ziel ist es, partizipative Verfahren in ethisch sensiblen Technologiekontexten weiterzuentwickeln und eine evidenzbasierte Grundlage für ihre künftige Gestaltung zu schaffen. Als Anwendungsbeispiel dient eine Patient Jury, für deren Zusammensetzung zunächst geeignete Auswahlkriterien entwickelt und erprobt werden. Sie berät im Rahmen eines mehrstufigen Verfahrens zu ethischen, rechtlichen und sozialen Aspekten von KI im Gesundheitswesen. Die Teilnehmenden werden gezielt informiert, diskutieren zentrale Themen und formulieren ein Positionspapier, das ihre Sichtweisen bündelt. Der gesamte Prozess wird wissenschaftlich begleitet und ausgewertet. Im Fokus der Auswertung steht die Frage, unter welchen Bedingungen angemessene Repräsentation in Diskursformaten gelingt. Eine Rückmelderunde mit nicht-organisierten Betroffenen validiert die Ergebnisse und sichert ihre Relevanz über bestehende Beteiligungsstrukturen hinaus.

PRiTech - Prädiktion von Gesundheitsrisiken: Diskurs über Technologien zu Zukunftswissen

Förderkennzeichen: 01GP2574
Gesamte Fördersumme: 359.541 EUR
Förderzeitraum: 2025 - 2027
Projektleitung: Prof. Dr. Christiane Woopen
Adresse: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, TRA4: Individuen, Institutionen und Gesellschaften, Center for Life Ethics
Schaumburg-Lippe-Str. 7
53113 Bonn

PRiTech - Prädiktion von Gesundheitsrisiken: Diskurs über Technologien zu Zukunftswissen

Vorhersagen zu gesundheitlichen Zukünften dringen zunehmend in unseren Alltag ein. Auf sozialen Medien, über vorinstallierte Health-Apps und durch gesammelte medizinische wie soziale Daten werden wir zunehmend mit der Möglichkeit konfrontiert, gesundheitliche Risiken zu bestimmen und mögliche Erkrankungen vorherzusagen. Dies betrifft besonders junge Menschen, die in einem digitalen, von prädiktiven Technologien geprägten Umfeld aufwachsen. Das Forschungsprojekt PRiTech soll sie für einen reflektierten, verantwortungsvollen Umgang mit Gesundheitsvorhersagen sensibilisieren und befähigen, die weitreichenden persönlichen wie gesellschaftlichen Implikationen zu verstehen und fundierte Entscheidungen zu treffen. Hierzu werden in einem diskursiven Prozess bedarfsgerechte Materialien entwickelt, die junge Menschen dabei unterstützen, Chancen und Risiken prädiktiver Technologien eigenständig und informiert zu bewerten. Schülerinnen und Schüler werden dabei aktiv in den Diskurs und die Materialentwicklung eingebunden. In interaktiven Workshops und Diskussionsrunden mit Expertinnen und Experten werden ihre Wahrnehmungen, ihr Wissen und ihre Herausforderungen im Umgang mit prädiktiven Technologien qualitativ erfasst. Ziel ist es, gemeinsam zielgerichtete Informations- und Diskussionsmaterialien zu entwickeln, die ihren spezifischen Bedürfnissen und ihrer Lebensrealität entsprechen. Besonderer Wert wird auf kulturelle Sensibilität, interdisziplinären Austausch und die Begegnung mit Betroffenen gelegt, um eine ganzheitliche Perspektive zu fördern und einen nachhaltigen, breiten Diskurs anzustoßen. Die entwickelten Materialien werden in schulischen Kontexten getestet und evaluiert. Für die langfristige Integration in den Schulalltag erfolgt die Veröffentlichung über eine bestehende Lehr- und Lernplattform, die breite Zugänglichkeit und nachhaltige Nutzung ermöglicht.

DigZwiG - Dreizehn Fragen: Digitaler Zwilling und Gehirn in der Cloud - wann kommt’s? Und wollen wir das?

Förderkennzeichen: 01GP2570
Gesamte Fördersumme: 201.607 EUR
Förderzeitraum: 2025 - 2026
Projektleitung: Prof. Dr. Malte-C. Gruber
Adresse: Justus-Liebig-Universität Gießen, FB 01 – Rechtswissenschaft, Professur für Bürgerliches Recht, Rechtsphilosophie und Recht der neuen Technologien
Licher Str. 76
35394 Gießen

DigZwiG - Dreizehn Fragen: Digitaler Zwilling und Gehirn in der Cloud - wann kommt’s? Und wollen wir das?

Das Vorhaben befasst sich mit drei Zukunftstechnologien des "digitalen Lebens" als Mensch-Maschine-Verbindung. 1) Der digitale Zwilling in der Medizin zielt auf eine radikale Weiterentwicklung der elektronischen Patientenakte. Hierbei werden bereits heute ganze Organe individuell simuliert und für Prognose- und Testzwecke genutzt. 2) Das Hirn-Interface (Brain-Computer-Interface - BCI) steht für eine Entwicklung, an deren Ende Menschen nicht mehr auf ihrem Smartphone nach Informationen suchen, sondern via Gedankensteuerung auf Informationsdienste und KI in der Cloud zugreifen. Die Brain-to-Cloud-Technologie wird gegenwärtig etwa im Bereich der Neuroprothetik eingesetzt, beispielsweise um Menschen mit schweren körperlichen Beeinträchtigungen oder Verletzungen zu behandeln und bei der Rehabilitation zu unterstützen. 3) Mind Uploading verweist auf die Utopie einer digitalen Unsterblichkeit. In dieser Hinsicht gibt es bereits kommerzielle Anbieter, die versprechen, lebensnah wirkende persönliche Avatare von Personen zu erstellen. In der Weiterentwicklung dieser Technologie würden die KI-Avatare einen Stand erreichen, der es rechtfertigt, diesen ein Bewusstsein zuzuschreiben. Das Projekt fragt nach der Wünschbarkeit eines standardmäßigen Einsatzes des digitalen Zwillings in der Medizin und nach der Wahrscheinlichkeit, dass eine Steigerung menschlicher Intelligenz durch Brain-to-Cloud-Schnittstellen oder Entgrenzungen menschlichen Lebens durch Mind Uploading in den nächsten Jahrzehnten möglich werden. Diese Fragen sollen in medial begleiteten Präsenzveranstaltungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, um eine frühzeitige Meinungsbildung hinsichtlich der genannten Technologietrends zu ermöglichen. Dabei sollen Vertretendende unterschiedlicher Standpunkte ein Forum erhalten, das Zuschauerinnen und Zuschauer entsprechend vielseitige Identifikationsangebote eröffnet. Ein Hauptaugenmerk wird darauf liegen, Optionen von Kompromissen und Meinungsannäherungen auszuloten.