Bedürfnisse der Mütter in den Mittelpunkt stellen und umfassend über Maßnahmen unter der Geburt informieren – eine im Projekt MAM-Care durchgeführte systematische Studie zeigt, was für ein positives Geburtserlebnis wichtig ist.
Eine zugewandte Begleitung und Kommunikation – sie sind entscheidend für die subjektive Wahrnehmung des Geburtsvorgangs durch die Mütter.
motortion / Adobe
Wie mit werdenden Müttern unter der Geburt kommuniziert wird und Entscheidungen getroffen werden, kann ebenso viel Einfluss auf ein positives Geburtserlebnis haben wie die Art der geburtshilflichen Versorgung selbst: Werden sie gut über mögliche Eingriffe aufgeklärt und in ihrer selbstbestimmten Entscheidungsfindung gestärkt, sind sie zufriedener mit der Geburt. Das haben sowohl die qualitativen, wie auch die quantitativen Untersuchungen im Rahmen des Projekts MAM-Care ergeben, die erste systematische Studie zur geburtshilflichen Versorgungslage in Deutschland. Weil umfassende belastbare Daten hierzu bislang fehlten, wollten die Forschenden aus drei Perspektiven mehr über Bedürfnisse und Sicherheit rund um das Thema Geburt erfahren: aus Sicht von Müttern, Ärztinnen und Ärzten sowie Hebammen.
„Wie eine Geburt erfolgt und wie die Mütter unter der Geburt begleitet und versorgt werden, kann großen Einfluss auf das psychische Wohlbefinden der Gebärenden und auf die Mutter-Kind-Bindung haben“, sagt Dr. Nadine Scholten vom Universitätsklinikum Bonn (UKB), die Leiterin des vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) geförderten Projekts. Die MAM-Care-Studie zeige, wie entscheidend die Kommunikation rund um die jeweils vorgenommenen geburtshilflichen Maßnahmen neben der Versorgungsgestaltung sei: „Wenn Frauen verstehen, warum etwas geschieht, und sich in ihrer Handlungsfähigkeit ernst genommen fühlen, kann auch eine kritische Intervention als unterstützend erlebt werden.“
Befragung von Müttern und medizinischem Fachpersonal
Die Studie wurde in Kooperation mit zwei Krankenkassen und unterstützt durch den Deutschen Hebammenverband e. V. sowie die Universitätskliniken Köln und Bonn durchgeführt. Deutschlandweit wurden mehr als 1.100 Mütter zu ihren Geburtserfahrungen, den eigenen wahrgenommenen Fähigkeiten und ihrer Beteiligung an Entscheidungsprozessen unter der Geburt befragt sowie zur professionellen Unterstützung und der von ihnen wahrgenommenen Sicherheit. Die höchste Zufriedenheit mit durchschnittlich 3,31 von maximal vier Punkten in allen vier Bereichen wurde für die vaginale Geburt ohne medizinischen Eingriff festgestellt; nach geburtshilflichen Interventionen gaben die Frauen deutlich niedrigere Zufriedenheitswerte an.
Als solche Interventionen wurden der manuelle Fundusdruck (ein gezielter Druck auf den oberen Teil der Gebärmutter), der ungeplante Kaiserschnitt, der Dammschnitt und die Geburt per Saugglocke bzw. Zange definiert. Würden die Frauen durch einen zugewandten Kontakt in ihrer Selbstwirksamkeit gestärkt und ihre Ängste gelindert, könne dies aber – trotz eines solchen Eingriffs – zu einer positiven Geburtserfahrung beitragen, so ein Ergebnis der Studie.
Die Befragung von 875 Ärztinnen und Ärzten sowie 1.373 Hebammen befindet sich derzeit in der Auswertung. Vorläufige Ergebnisse legen nahe, dass wissenschaftlich nicht ausreichend belegte und daher teilweise kritisch diskutierte Interventionen wie Dammschnitt und Fundusdruck noch immer relativ häufig zum Einsatz kommen. In der MAM-Care-Studie gaben 81% der befragten Ärztinnen und Ärzte sowie 38% der Hebammen an, Fundusdruck durchzuführen – obwohl die S-3-Leitlinie zur vaginalen Geburt empfiehlt, diese Maßnahme möglichst nicht oder nur unter strenger Indikationsstellung und mit Zustimmung der Gebärenden anzuwenden. Diese Zahlen wurden durch die Angaben der befragten Mütter bestätigt, wo 21% der Frauen nach vaginaler Geburt angaben, Fundusdruck erlebt zu haben.
Bedürfnisse der Gebärenden stärker berücksichtigen
Gestützt auf die Ergebnisse der Studie wollen die Forschenden im nächsten Schritt eine leicht umsetzbare Intervention entwickeln, um mögliche Versorgungsdefizite anzugehen. Die geburtshilfliche Versorgung soll so stärker an den Wünschen und Bedürfnissen von Müttern ausgerichtet und eine gute Zusammenarbeit zwischen dem geburtshilflichen Team und den Gebärenden angestrebt werden, um die Zufriedenheit mit dem Geburtserlebnis insgesamt zu fördern. „Die Anliegen und Wünsche der Gebärenden sollten im Mittelpunkt stehen, wobei hierzu in Deutschland auch an den Versorgungsstrukturen gearbeitet werden muss, damit dies besser möglich ist“, sagt Nadine Scholten. „Unser mehrdimensionaler, wissenschaftlich fundierter Ansatz soll helfen, dieses in Deutschland bisher wenig beachtete Thema besser zu verstehen.“
Das Projekt MAM-Care ist eins von zehn Einzelvorhaben, die das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) mit der Maßnahme „Nachwuchsgruppen in der Versorgungsforschung“ fördert. Insgesamt stellt das Ministerium für diese Maßnahme bis zu 15 Millionen Euro bereit, um die Forschungskapazitäten an deutschen Hochschulen zu erweitern und die Qualifizierung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Frühstadium ihrer Karriere zu unterstützen. Solche Nachwuchsgruppen dienen der Vorbereitung auf eine Professur oder einer weiteren wissenschaftlichen Leitungsfunktion. Gefördert werden Nachwuchsgruppen, die ein versorgungsrelevantes und inhaltlich-methodisch anspruchsvollen Forschungsprojekt durchführen, das von der Leiterin bzw. dem Leiter der Nachwuchsgruppe konzipiert wurde.