27.01.2025

| Aktuelle Meldung

Mit Tablette für Kleinkinder gegen tropische Wurminfektion

Bilharziose, eine durch Saugwürmer verursachte Tropenkrankheit, betrifft Millionen von Menschen, insbesondere Kinder. Eine internationale Allianz hat auch mit Förderung durch das BMBF den Weg für eine wirksame Behandlung bei Vorschulkindern geebnet.

Tablette auf Hand

Die Arpraziquantel-Tablette löst sich im Mund auf und ist gut verträglich. Damit lässt sich die Bilharziose bei Vorschulkindern wirksam bekämpfen.

Merck

Am Welttag der vernachlässigten Tropenkrankheiten am 30. Januar rückt die Bilharziose, auch Schistosomiasis genannt, in den Fokus. Sie ist nach Malaria die zweithäufigste von Parasiten verursachte Infektionskrankheit weltweit. Etwa 250 Millionen Menschen sind nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO betroffen.

Der Erreger ist ein Saugwurm, der sich vom menschlichen Blut ernährt und sich in den Blutgefäßen ansiedelt. Die Infektion erfolgt durch Kontakt mit verunreinigtem Süßwasser, wo sich die Larven in Süßwasserschnecken als Zwischenwirt entwickeln. Die Würmer und ihre Eier führen im menschlichen Körper zu chronischen Entzündungen, Blutungen und Gewebeschäden.

Standard-Medikament nicht für Kinder geeignet

Saugwürmer

Parasitäre Saugwürmer sind die Erreger der Bilharziose. Sie ernähren sich vom Blut ihrer menschlichen Wirte.

Merck

Besonders Kinder stecken sich beim Spielen oder Schwimmen in Gewässern an: Geschätzt 50 Millionen Vorschulkinder sind von der Wurminfektion betroffen. Zwar gibt es mit dem Medikament Praziquantel eine wirksame Therapie, die die Würmer im Körper schwächt oder abtötet.

Für Kinder im Vorschulalter kam die Arznei in ihrer Standardform jedoch bisher nicht infrage: Die Tabletten sind zu groß, schmecken bitter und mussten vor Verabreichung bisher umständlich zerkleinert werden. Zudem fehlten aussagekräftige klinische Studiendaten zum Einsatz des Medikaments bei Kindern unter sechs Jahren.

Das Pediatric Praziquantel Consortium, eine öffentlich-private Partnerschaft, hat sich dieser Herausforderung angenommen und nach mehr als zehn Jahren Forschung und Entwicklung einen bedeutenden Fortschritt erzielt: Die Entwicklung und erfolgreiche klinische Prüfung von Arpraziquantel, einer veränderten Rezeptur des Standardmedikaments, die speziell auf die Bedürfnisse von Kindern im Vorschulalter zugeschnitten ist.

Allianz für kindergerechte Arznei

Das Pediatric Praziquantel Consortium wird wesentlich von der European & Developing Countries Clinical Trials Partnership (EDCTP) unterstützt. Als europäisch-afrikanische Partnerschaft gegen Infektionskrankheiten wird die EDCTP vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) substanziell unterstützt, von 2022 bis 2031 werden bis zu 40 Millionen Euro Fördermittel vom BMBF bereitgestellt.

Weitere Förderer des Pediatric Praziquantel Consortium sind der Global Health Innovative Technology Fund (GHIT) mit Sitz in Japan, die Gates Foundation und das Darmstädter Unternehmen Merck, das die Allianz auch koordiniert.

Kleine Pille für Vorschulkinder entwickelt

Arpraziquantel besteht ausschließlich aus der biologisch aktiven Molekülvariante von Praziquantel. Dadurch werden Verträglichkeit und Geschmack verbessert. Der Wirkstoff wird in Form einer kleinen 150-Milligramm-Tablette gepresst, die Pille löst sich im Mund auf. Diese Eigenschaften erleichtern die Gabe an sehr junge Kinder im Alter von drei Monaten bis sechs Jahren. Zudem ist die neue Darreichungsform stabil genug, um den heißen und feuchten Bedingungen in tropischen Klimazonen standzuhalten. Die Therapie wird als Einzeldosis verabreicht, was die Behandlung ebenfalls vereinfacht.

EDCTP: Europäisch-afrikanische Allianz gegen Infektionskrankheiten

Die European and Developing Countries Clinical Trials Partnership (EDCTP) ist eine öffentlich-private Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und der EDCTP-Association, der mehrere europäische und afrikanische Länder angehören. Die EDCTP widmet sich seit 2003 der Bekämpfung armutsassoziierter, vernachlässigter Infektionskrankheiten in Subsahara-Afrika. Schwerpunkte sind klinische Studien zu Arzneien, Impfstoffen und Diagnostika und der Kapazitätsaufbau vor Ort. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) beteiligt sich seit Beginn an dem Programm. Für das 2022 gestartete Nachfolgeprogramm „Global Health EDCTP3 Joint Undertaking (EDCTP3)“ stellt das BMBF über zehn Jahre Fördermittel von bis zu 40 Millionen Euro bereit.

Klinische Studie in Afrika ebnete Weg für Zulassung

Vorschulkind aus Kenia

Die entwickelte Arznei für Vorschulkinder wurde in Kenia und an der Elfenbeinküste in einer klinischen Phase-III-Studie erprobt.

Merck/ Sci Foundation

Für die Erprobung der Kinderarznei wurde an der Elfenbeinküste und in Kenia eine zulassungsrelevante klinische Phase-III-Studie durchgeführt, die von EDCTP gefördert wurde. Bei den mehr als 400 Kindern zeigte Arpraziquantel eine hohe Wirksamkeit gegenüber den häufigsten Bilharziose-Erregern, mit Heilungsraten bei Vorschulkindern von mehr als 90 Prozent. Das Präparat erwies sich zudem als sicher und gut verträglich.

Aufbauend auf den Studiendaten gab die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) im Dezember 2023 eine positive wissenschaftliche Stellungnahme zu Arpraziquantel – und damit eine Zulassungsempfehlung – ab. Im Mai 2024 wurde das Medikament in die Liste der präqualifizierten Arzneimittel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufgenommen. Diese Schritte sind entscheidend für die Zulassung und Verfügbarkeit des Medikaments in Ländern, in denen die Bilharziose verbreitet ist. Das Konsortium arbeitet nun daran, einen nachhaltigen und gerechten Zugang zur neuen Behandlung in Subsahara-Afrika zu gewährleisten.