Forschende des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK) zeigen, wie wichtig aktive Immunzellen im Umfeld eines Tumors sind und welche zentrale Rolle sie für den erfolgreichen Verlauf einer Krebstherapie spielen.
Bei Patientinnen und Patienten mit Speiseröhrenkrebs entscheidet nicht nur die Chemotherapie, sondern vor allem das Immunsystem über den Erfolg der Behandlung. Das zeigt eine Studie unter maßgeblicher Beteiligung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK). Sie fanden heraus: Wenn körpereigene Abwehrzellen – insbesondere T-Zellen – aktiv bleiben, ist die Chance auf eine erfolgreiche Therapie deutlich höher. Erscheint das Immunsystem hingegen geschwächt oder blockiert, spricht der Tumor häufig schlecht auf die Behandlung an. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature Cancer veröffentlicht.
„Unsere Daten zeigen, dass die Reaktion des Immunsystems entscheidend mitbestimmt, wie gut eine Therapie wirkt – selbst wenn der Tumor sich genetisch kaum verändert“, sagt Co-Studienleiter Professor Dr. Michael Quante, Leiter des Zentrums Gastrointestinale Tumore der Klinik für Innere Medizin II am Universitätsklinikum Freiburg und Wissenschaftler am DKTK-Partnerstandort Freiburg.
Gedächtnis-T-Zellen (rot) und Killer-T-Zellen (lila) sind gemeinsam direkt in der Nähe von Krebszellen (gelb). Diese Immunzellen „kennen“ Tumorzellen von früheren Kontakten und können sie schnell und effektiv bekämpfen. Grün: Bindegewebe.
Universitätsklinikum Freiburg/Bertram Bengsch, Martin Borgmann, Michael Quante:
Tumor bleibt gleich – Umgebung verändert sich
Für die Studie wurden Gewebeproben von 27 Patientinnen und Patienten mit lokal fortgeschrittenem Speiseröhrenkrebs untersucht. Alle hatten eine sogenannte neoadjuvante Therapie erhalten – also eine Behandlung vor der Operation, meist in Form einer Chemotherapie oder kombinierten Strahlen-Chemotherapie. Die Proben wurden zu drei Zeitpunkten entnommen: vor, während und nach der Behandlung. Die Analyse umfasste DNA-Sequenzierungen, Transkriptom-Analysen, eine räumliche Charakterisierung des Tumorgewebes mittels multiplexer Immunhistochemie und Immunfluoreszenz sowie die Sequenzierung von T-Zell-Rezeptoren. Dabei zeigte sich: Die Krebszellen selbst blieben erstaunlich stabil. Die Veränderungen fanden vor allem im Umfeld des Tumors statt – in den Immunzellen, im Bindegewebe und in den Signalwegen zwischen Zellen.
Die Ergebnisse zeigten ausgeprägte Veränderungen in der Aktivität bestimmter Gene – und das, obwohl es nur geringe Hinweise auf genetische Ursachen gab. Das deutet darauf hin, dass die meisten Veränderungen der Genexpression während der Therapie wahrscheinlich durch phänotypische Plastizität bedingt sind. Das heißt, dass Tumorzellen ihre Genaktivität dynamisch anpassen und so in eine therapieresistente Form übergehen können.
Nationale und internationale Zusammenarbeit
Der Erfolg dieses Projekts wurde maßgeblich durch eine enge standortübergreifende und interdisziplinäre Zusammenarbeit ermöglicht: Klinisch tätige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in München und Essen führten die MEMORI-Studie mit einer aufwendigen, longitudinal angelegten Probengewinnung durch, während die Grundlagenlabore in London und Freiburg die komplexen molekularen Analysen dieser Proben übernahmen. Eine zentrale Komponente der Studie war die Analyse der Tumorevolution unter Therapie mittels Gensequenzierung, die zusammen mit Co-Studienleiter Professor Trevor Graham, Direktor des Centre for Evolution and Cancer am Institute of Cancer Research in London, im Rahmen eines Krebshilfe Mildred Scheel Stipendiums für Dr. Melissa Barroux durchgeführt wurde. Im Zuge des Projekts wurde eine enge Kooperation zwischen den DKTK Standorten Freiburg, München und Essen sowie dem Graham-Labor am Institute of Cancer Research (UK) etabliert.
Darüber hinaus spielt das immunologische Mikromilieu eine entscheidende Rolle für das Ansprechen auf die Behandlung: Tumoren von Patientinnen und Patienten mit gutem Therapieansprechen zeigten seltener genetische Hinweise auf eine sogenannte Immunflucht. Dabei verändert der Krebs bestimmte Oberflächenmerkmale, um vom Immunsystem nicht mehr erkannt zu werden. Daneben war eine stärkere Immunzellantwort auf die Behandlung zu beobachten – insbesondere ein Anstieg aktivierter CD8+-T-Zellen sowie eine begleitende T-Zell-Expansion. Menschen mit geringem Therapieansprechen zeigten im Gegensatz dazu während der Behandlung keine ausgeprägte immunologische Umstrukturierung. Auch hemmende Signale wie das Molekül PD-L1 waren bei diesen Patientinnen und Patienten erhöht – sie gelten als mögliche Ziele für moderne Immuntherapien.
Perspektiven für neue Kombinationstherapien
Diese Erkenntnisse stammen aus wissenschaftlichen Begleituntersuchungen, die im Rahmen des Forschungsprojekts „MEMORI“ durchgeführt wurden. Dieses Projekt wird im DKTK-Joint-Funding-Programm gefördert und basiert auf der zuvor veröffentlichten und ebenfalls vom DKTK geförderten, gleichnamigen MEMORI-Studie. Diese untersuchte, ob eine PET-gestützte Therapieplanung dazu beitragen kann, die Erfolgsrate vollständiger Tumorentfernungen bei operablen Adenokarzinomen im Übergangsbereich zwischen Speiseröhre und Magen zu verbessern.
Dr. Melissa Barroux, Professor Dr. Michael Quante
Die vorliegende Arbeit zeigt anhand von Patientendaten, dass die phänotypische Plastizität von Tumorzellen eine entscheidende Rolle für das Therapieansprechen spielt. „Unsere Ergebnisse betonen die Bedeutung künftiger Forschungsarbeiten, die darauf abzielen, gezielte Strategien zur Einschränkung dieser zellulären Anpassungsfähigkeit zu entwickeln“, fasst Dr. Melissa Barroux zusammen. Sie ist Ärztin an der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II am Klinikum der Technischen Universität München, DKTK-Partnerstandort München, und Erstautorin der Publikation.
„Darüber hinaus zeigen wir, dass es im Verlauf der Therapie zu einer Umgestaltung der Interaktion zwischen Tumor und Immunsystem kommt. Diese Beobachtung unterstützt den Ansatz, kombinierte Therapieformen aus Immun- und Chemotherapie weiterzuverfolgen.“ Aktuell laufende klinische Studien untersuchen die Wirksamkeit einer Kombination aus Chemotherapie und Immuncheckpoint-Inhibition (Anti-PD-1/PD-L1-Antikörper) beim Speiseröhren-Adenokarzinom. Die Analyse von Proben dieser Studien wird wichtige Erkenntnisse darüber liefern, wie die adaptive Immunantwort durch Chemotherapie beeinflusst und moduliert wird.
Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK)
Das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) ist eine gemeinsame langfristige Initiative des Bundesministeriums für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR), der beteiligten Bundesländer und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ). Es wurde als eines der Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung (DZG) gegründet. Im DKTK verbindet sich das DKFZ als Kernzentrum mit onkologisch besonders ausgewiesenen Forschungseinrichtungen und Kliniken in Translationszentren an acht Standorten in Deutschland: Berlin, Dresden, Essen/Düsseldorf, Frankfurt/Mainz, Freiburg, Heidelberg, München und Tübingen. Das Konsortium fördert interdisziplinäre präklinisch-translationale Forschungsthemen, um Ergebnisse möglichst schnell in neue Ansätze zur Prävention, Diagnostik und Behandlung von Krebserkrankungen zu übertragen und Strategien für die personalisierte Onkologie zu entwickeln.
Weitere Informationen: www.dktk.dkfz.de
Originalpublikationen:
Barroux, M., Househam, J., Lakatos, E., et al. (2025). Evolutionary and immune microenvironment dynamics during neoadjuvant treatment of esophageal adenocarcinoma. Nat Cancer. 2025;6(5):820-837. DOI: 10.1038/s43018-025-00955-w
Lorenzen, S., Quante, M., Rauscher, I., et al. (2022). PET-directed combined modality therapy for gastroesophageal junction cancer: Results of the multicentre prospective MEMORI trial of the German Cancer Consortium (DKTK). Eur J Cancer. 2022 Nov;175:99-106. DOI: 10.1016/j.ejca.2022.07.027
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Michael Quante
Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), Partnerstandort Freiburg
Universitätsklinikum Freiburg
Klinik für Innere Medizin II, Zentrum Gastrointestinale Tumore
Hugstetter Straße 55
79106 Freiburg
michael.quante@uniklinik-freiburg.de
Pressekontakt:
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Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK)
Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)
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