November 2025

| Newsletter 120

Insulin produzierende Zellen aus dem Labor

Bei Typ-1-Diabetes und im fortgeschrittenen Stadium Typ-2-Diabetes sterben die Insulin produzierenden Betazellen ab. Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD) entwickelt Verfahren, um diese Zellen zu schützen, zu regenerieren oder zu ersetzen.

Logo DZD

Insulin ist ein lebenswichtiges Hormon. Es hilft dem Körper, Zucker (Glukose) aus dem Blut in die Zellen zu transportieren, wo er als Energie genutzt wird. Bei Typ-1-Diabetes produziert der Körper gar kein Insulin mehr, weil die Betazellen in der Bauchspeicheldrüse zerstört sind. Bei Typ-2-Diabetes wird zwar noch Insulin gebildet, aber oft nicht genug oder es wirkt nicht richtig. Deshalb brauchen viele Menschen mit Diabetes Insulin von außen – meist in Form von Spritzen oder über eine kleine Pumpe.

Mikroskopische Darstellung von Betazellen

Mikroskopische Darstellung von Betazellen

Helmholtz Munich/Erik Bader

„Doch diese Therapie ersetzt nicht die natürliche Funktion der Bauchspeicheldrüse. Sie schützt nicht dauerhaft vor den teils schweren Folgeerkrankungen“, erklärt Professor Heiko Lickert, Direktor am Institut für Diabetes und Regenerationsforschung bei Helmholtz Munich, einem DZD-Partner. Als Koordinator des DZD-Forschungsschwerpunkts „Betazell-Academy“ erforscht er, wie sich die Ursachen von Typ-1- und Typ-2-Diabetes gezielt behandeln lassen. Die Vision: Der Körper soll künftig wieder selbst Insulin produzieren können.

Inselzellen transplantieren

Eine vielversprechende Therapie ist die Inselzelltransplantation. Dabei werden Inselzellen aus Spenderorganen isoliert, aufbereitet und in die Leber der Empfängerinnen und Empfänger transplantiert. Am Universitätsklinikum Dresden haben Forschende des DZD die Inselzelltransplantation bereits erfolgreich in die Klinik überführt. Die Inselzelltransplantation kommt vor allem bei schwer einstellbarem Typ-1-Diabetes zum Einsatz – etwa bei häufigen, lebensbedrohlichen Unterzuckerungen, dem Versagen herkömmlicher Therapien, fortgeschrittenen Folgeerkrankungen wie Netzhaut-, Nieren- oder Nervenschäden trotz optimaler Behandlung sowie im Rahmen kombinierter Organtransplantationen, etwa in Verbindung mit einer Nierentransplantation.

Da Spenderzellen knapp sind, arbeiten DZD-Forschende an Alternativen. Besonders vielversprechend sind Betazellen aus Stammzellen, die im Labor gezielt zu Insulin produzierenden Zellen herangezogen werden. Ziel ist, die körpereigene Insulinproduktion wiederherzustellen und Menschen mit Diabetes unabhängiger von Insulininjektionen zu machen.

Grafische Darstellung: Aus dem Spenderorgan isolierte insulinproduzierende Zellen werden in die Leber des Empfängers übertragen

Aus dem Spenderorgan isolierte insulinproduzierende Zellen werden in die Leber des Empfängers übertragen

DZD

Inselzellen aus pluripotenten Stammzellen

Mithilfe von pluripotenten Stammzellen sind die Forschenden ihrem Ziel einen großen Schritt näher gekommen. Diese noch nicht spezialisierten „Allrounder“ können sich unendlich vermehren und in alle Zelltypen des eigenen Körpers verwandeln; im Labor reifen sie unter Zugabe bestimmter Wachstumsfaktoren zu Inselzellen heran. Neben den Betazellen zählen dazu weitere Zelltypen, die gemeinsam den Zuckerstoffwechsel regulieren. In der Bauchspeicheldrüse bilden sie regelrechte Mini-Organe aus bis zu 2.000 Zellen, die wie Inseln im umgebenden Gewebe liegen; daraus leitet sich der Begriff Inselzellen ab.

Inselzellen lassen sich inzwischen im Labor in großer Zahl nachbilden. Ob sie auch im Körper wirksam sind, untersucht eine internationale Studie des US-Unternehmens Vertex bei Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenem Typ-1-Diabetes. In Deutschland ist das Paul Langerhans Institut Dresden (PLID), ein DZD-Partner, das einzige Zentrum mit Zulassung für Inselzelltransplantationen. Unter Leitung von Professorin Barbara Ludwig ist das PLID Teil der europaweiten Studie. Erste Ergebnisse sind vielversprechend: Bei elf von zwölf Teilnehmenden normalisierte sich der Blutzuckerstoffwechsel nach einer Stammzelltherapie.

Veränderte Stammzellen sollen Abstoßung vermeiden

Die neue Therapie ist vielversprechend, aber kostspielig und belastend. Die aus Stammzellen gewonnenen Inselzellen werden vom Körper als fremd erkannt und könnten abgestoßen werden. Um das zu verhindern, ist eine lebenslange Immunsuppression nötig – eine große Belastung für die Betroffenen. Daher kommt die Therapie derzeit nur für Menschen mit schwer kontrollierbarem Typ-1-Diabetes infrage. Ein Forschungsteam um Professor Matthias Hebrok von Helmholtz Munich arbeitet daran, Stammzellen gentechnisch so zu verändern, dass sie vom Immunsystem nicht mehr erkannt und angegriffen werden.

Modell des Insulin-inhibitorischen Rezeptors

Modell des Insulin-inhibitorischen Rezeptors „Inceptor“ (schwarz). Inceptor desensibilisiert den Insulinrezeptor (farbig) auf der Oberfläche einer Betazelle in der Bauchspeicheldrüse. Insulin ist blau dargestellt.

Helmholtz Munich

Ein neuer Ansatz zur Behandlung von Typ-2-Diabetes

Während das Team von Professor Hebrok daran arbeitet, die Abstoßung transplantierter Zellen durch das Immunsystem zu verhindern, verfolgt Professor Heiko Lickert mit seinem Forschungsteam einen anderen vielversprechenden Weg. Bereits 2021 entdeckten sie den Rezeptor Inceptor, der den Insulinsignalweg hemmt. Nun haben die Forschenden eine weitere wichtige Funktion entschlüsselt: Inceptor bindet Insulin und steuert dessen Abbau in den Betazellen der Bauchspeicheldrüse.

Durch die gezielte Blockade dieses Rezeptors konnten die Insulinspeicher in den Zellen aufgefüllt, die Ausschüttung verbessert und die Betazellen geschützt werden. Das eröffnet neue Möglichkeiten für eine ursächliche Behandlung von Typ-2-Diabetes – also eine Therapie, die direkt an den Krankheitsmechanismen ansetzt.

Um diese Erkenntnisse in die Praxis zu bringen, wurde das Start-up Viacure gegründet. Ziel ist die Entwicklung neuartiger Medikamente, die Inceptor blockieren und so die körpereigene Insulinproduktion stärken und die Betazellen langfristig schützen.

Diese Fortschritte markieren wichtige Schritte auf dem Weg zu einer nachhaltigen Behandlung von Diabetes – mit dem Potenzial, das Leben von Betroffenen grundlegend zu verbessern.

Deutsches Zentrum für Diabetesforschung (DZD)
Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD) e. V. ist eines der Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung, die vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) und den Sitzländern gefördert werden. Es bündelt Expertinnen und Experten auf dem Gebiet der Diabetesforschung und verzahnt Grundlagenforschung, Epidemiologie und klinische Anwendung. Ziel des DZD ist es, über einen integrativen Forschungsansatz und einen raschen Transfer der Forschungsergebnisse in die Praxis einen wesentlichen Beitrag zur erfolgreichen Prävention, Diagnose und Therapie des Diabetes mellitus zu leisten.

Weitere Informationen: www.dzd-ev.de

Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Heiko Lickert
Institut für Diabetes und Regenerationsforschung
Helmholtz Munich
Campus Neuherberg
Ingolstädter Landstraße 1
85764 Neuherberg
heiko.Lickert@helmholtz-muenchen.de

Pressekontakt:
Birgit Niesing
Deutsches Zentrum für Diabetesforschung (DZD)
Ingolstädter Landstraße 1
85764 Neuherberg
niesing@dzd-ev.de