November 2025

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Früherkennung von Leberkrebs: Auf der Suche nach lebensrettenden Biomarkern

Leberkrebs früher zu erkennen, ist das Ziel im Forschungsverbund DEEP-HCC. Mit modernsten Analysen von Genen, Proteinen, Stoffwechsel und mit Künstlicher Intelligenz wollen die Forschenden Tumormarker finden – für potenziell lebensrettende Diagnosen.

In der Zellkulturwerkbank pipettiert eine Wissenschaftlerin

Arbeiten unter sterilen Bedingungen: In der Zellkulturwerkbank pipettiert eine Wissenschaftlerin des Hampe Labors Leberzellen für experimentelle Studien.

Hampe Lab, Dresden

In Deutschland erkranken jedes Jahr rund 9.800 Menschen an Leberkrebs – häufig ohne dies zu wissen, denn die Erkrankung verursacht lange Zeit keine spezifischen Symptome. Leberkrebs gilt deshalb als „stiller Krebs“. In vielen Fällen wird er erst in einem fortgeschrittenen Stadium entdeckt – und damit oft zu spät für eine Heilung. Nur wenn der Tumor sehr früh erkannt wird, bestehen gute Chancen auf Heilung. Genau an diesem entscheidenden Punkt setzt das Forschungskonsortium DEEP-HCC an, das vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) gefördert wird.

Besseres Verständnis von Leberkrebs

Das Konsortium bringt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ganz Deutschland zusammen. Ihr gemeinsames Ziel ist es, Leberkrebs besser zu verstehen und Wege zu finden, ihn schon in frühen Stadien sichtbar zu machen. Besonders gefährdet sind Menschen, die bereits eine andere Erkrankung der Leber haben. Viele Patientinnen und Patienten leiden entweder schon an einer Leberzirrhose, oder sie haben eine sogenannte Metabolismus-assoziierte Fettleber. Hier gelten Übergewicht und Diabetes als Risikofaktoren. Zwar finden bei diesen Betroffenen bereits heute regelmäßige Kontrolluntersuchungen statt, doch gelingt es dabei nur selten, den Krebs rechtzeitig zu diagnostizieren.

Die Forschenden von DEEP-HCC wollen das ändern. Dafür nehmen sie die Vorgänge in der Leber bei der Entstehung von Leberkrebs auf mehreren Ebenen genau unter die Lupe: Sie analysieren Gene und Proteine, untersuchen, wie Krebszellen aufgebaut und miteinander verbunden sind, und erforschen Veränderungen im Stoffwechsel. Eine Gruppe analysiert dazu, welche Fette die Leber wo genau verarbeitet – und wie sich das ändert, wenn Leberkrebs vorliegt. Eine andere Arbeitsgruppe widmet sich der Frage, ob sich frühe Veränderungen im Lebergewebe möglicherweise auch im Blut abbilden. Wenn sich dies bestätigen sollte, könnte in Zukunft eine einfache Blutprobe genügen, um frühe Hinweise auf Leberkrebs zu erkennen; eine belastende Gewebeentnahme, die Biopsie, wäre dann deutlich seltener nötig. Zwar stützen sich Ärztinnen und Ärzte bei der Diagnose von Leberkrebs häufig auch auf Ultraschall- oder MRT-Bilder, doch diese Verfahren bergen das Risiko, Krebszellen im Frühstadium zu übersehen.

Professor Dr. Jochen Hampe

Professor Dr. Jochen Hampe 

Adrien Guillot, Charité – Universitätsmedizin Berlin

KI könnte Marker erkennen, die unseren Augen verborgen bleiben

Mit den gesammelten Daten trainiert eine Arbeitsgruppe des Verbunds deshalb eine Künstliche Intelligenz (KI). Diese soll lernen, Veränderungen im Gewebe zu erkennen, die dem menschlichen Auge im Ultraschallbild verborgen bleiben. Damit wäre es möglich, Leberkrebs deutlich früher aufzuspüren, als es mit heutigen Methoden gelingt. Schon in der ersten Phase von DEEP-HCC entstand ein umfangreicher Datensatz, mit dem die Forschenden jetzt arbeiten. Ziel ist es, bestimmte Proteine oder Fette als Biomarker zu identifizieren.

Diese Marker treten in anderer Konzentration auf, wenn Leberkrebs vorliegt. Forschende messen sie dann erhöht oder verringert. „Momentan gibt es erste Kandidaten“, erklärt Professor Dr. Jochen Hampe, Direktor der Medizinischen Klinik I der Universitätsklinik Dresden und Professor für innere Medizin und Gastroenterologie und zugleich Koordinator des DEEP-HCC-Konsortiums. „Doch wir müssen sie sorgfältig prüfen. Unser Ziel ist, dass Kliniklabore in Zukunft gezielt nach solchen Markern suchen können.“ Von Anfang an berücksichtigen die Forschenden darum auch die regulatorischen Anforderungen, die für eine spätere Zulassung neuer Diagnoseverfahren wichtig sind. „Es nützt uns nichts, wenn wir großartige Wissenschaft betreiben, deren Ergebnisse aber niemals in der Praxis ankommen können, weil sie in Kliniklaboren nicht funktionieren“, betont Hampe.

Förderung der Erforschung von Leberkrebs

Krebs zählt zu den häufigsten Volkskrankheiten. Daher stärkt das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) gezielt die Forschung in diesem Bereich, um Prävention, Früherkennung und Therapie zu verbessern. Die Förderinitiative „Systemmedizinisches Forschungsnetz zur Früherkennung und Prävention von Leberkrebs (LiSyM-Krebs) Phase II“ fokussiert sich auf Tumorerkrankungen der Leber, eine seltene und häufig zu spät erkannte Erkrankung. Die Forschenden untersuchen die Entstehung, geschlechtsspezifische Unterschiede und suchen frühe Biomarker für Diagnose und Prävention. Besonders hervorzuheben ist, dass die Forscherinnen und Forscher ihre Daten untereinander austauschen und so von einem sehr umfangreichen Datenschatz profitieren. Das BMFTR förderte im Rahmen von LiSyM-Krebs in der ersten Phase (2021 bis 2024) 29 Einrichtungen mit rund 19 Millionen Euro. Für die bis 2027 laufende zweite Phase stellt das BMFTR ihnen etwa die gleiche Fördersumme bereit.

Über die Früherkennung hinaus denkt das Projektteam auch an mögliche neue Therapien. Mithilfe sogenannter Organoide – im Labor gezüchteter „Mini-Lebern“ – können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen, wie bestimmte Signale Krebszellen beeinflussen. Diese Organoide entstehen direkt aus Gewebeproben von Patientinnen und Patienten. Sie bilden die Struktur und Funktion der Leberzellen nach. An ihnen lässt sich mit modernen genetischen Methoden wie CRISPR/Cas gezielt erforschen, was passiert, wenn einzelne Signalwege in den Zellen aktiviert oder ausgeschaltet werden. Vereinfacht gesagt: Sterben die Krebszellen in den Organoiden, deutet das darauf hin, dass die Therapie wirkt.

Möglichkeit früherer Diagnose wäre ein großer Fortschritt

Und wann könnten die Ergebnisse dieser Forschung den Betroffenen zugutekommen? Hampe zeigt sich vorsichtig optimistisch. Wenn alles sehr gut verläuft, könnten in etwa sechs Jahren erste neue Diagnoseverfahren zur Verfügung stehen. Neue Medikamente brauchen in der Regel mehr als dreimal so lange. Doch allein die Möglichkeit, Leberkrebs deutlich früher und zuverlässiger zu erkennen, wäre ein großer Fortschritt – und könnte Leben retten.

Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Jochen Hampe
Technische Universität Dresden
Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Medizinische Klinik und Poliklinik I
Fetscherstr. 74
01307 Dresden
Jochen.Hampe@ukdd.de