September 2025

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Forschung für präzisere Diagnosen bei Herzinsuffizienz

Herzschwäche ist nicht gleich Herzschwäche: Verschiedene Subtypen der Herzinsuffizienz erfordern jeweils unterschiedliche Therapien. Das Projekt DIASyM nutzt moderne Schlüsseltechnologien, um die Erkrankung auf molekularer Ebene zu entschlüsseln.

Flaschen mit Lösungsmitteln für die Analyse von Proteinen

Lösungsmittel für die quantitative Analyse von Proteinen.

Prof. Dr. Stefan Tenzer 

Mehr als vier Millionen Menschen in Deutschland leiden unter einer Herzinsuffizienz – einer chronischen Herzschwäche, bei der das Organ nicht mehr genug Blut durch den Körper pumpen kann. Die besondere Herausforderung für Medizinerinnen und Mediziner: Es gibt unterschiedliche Subtypen, die jeweils anders behandelt werden müssen. Und je früher eine gezielte Therapie einsetzt, desto besser sind die Überlebenschancen der Betroffenen. Doch bislang fehlt es an präzisen Diagnoseverfahren, um frühzeitig festzustellen, welche Form der Herzinsuffizienz vorliegt und welche Therapie tatsächlich hilft.

Hier setzt das Forschungsprojekt „DIASyM“ an: Ein interdisziplinäres Team an der Universität Mainz will die Herzinsuffizienz auf molekularer Ebene entschlüsseln, um Ärztinnen und Ärzten künftig maßgeschneiderte Therapieempfehlungen an die Hand zu geben. Dabei werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) unterstützt. „Wir möchten herausfinden, wie sich verschiedene Subtypen der Herzinsuffizienz auf molekularer Ebene voneinander unterscheiden, und damit bessere Behandlungsoptionen für Patientinnen und Patienten ermöglichen“, erklärt Professor Dr. Stefan Tenzer, der das Projekt zusammen mit seinem Kollegen Professor Dr. Philipp Wild koordiniert.

Ausschnitt Massenspektrometer

Mit Hilfe eines Massenspektrometers können die Forschenden Proteine im Blut bestimmen.

Prof. Dr. Stefan Tenzer 

Massenspektrometrie ermöglicht detaillierte Blutanalyse

Das Herzstück von DIASyM ist die Massenspektrometrie – eine Technologie, mit deren Hilfe sich Proteine und eine Vielzahl anderer Biomoleküle im Blut extrem präzise bestimmen lassen. „Wir können in Plasma-Proben bis zu 1.000 verschiedene Eiweiße gleichzeitig identifizieren“, so Tenzer. Die Forschenden nutzen dafür große Kohorten mit Tausenden Daten von Patientinnen und Patienten, die unter unterschiedlichen Subtypen der Herzinsuffizienz leiden. Kombiniert werden diese Proteinmuster mit Daten zu Lipiden und Stoffwechselprodukten, sodass ein möglichst vollständiges molekulares Profil der spezifischen Form der Erkrankung ermittelt werden kann.

Seit Projektbeginn im Jahr 2019 hat das DIASyM-Team bereits wichtige Etappenziele erreicht: Die Forschenden konnten ihre Methoden so weiterentwickeln und standardisieren, dass sie nun bis zu 10.000 Blutproben pro Jahr detailliert analysieren können. Erste umfangreiche Messungen sind bereits abgeschlossen und werden aktuell von den Bioinformatik-Teams im Forschungsprojekt ausgewertet. „Dabei geht es vor allem darum, aus den riesigen Datenmengen Rückschlüsse auf die verschiedenen Subtypen der Herzinsuffizienz zu ziehen“, sagt Tenzer. Auf dieser Basis wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler KI-gestützte Diagnose-Tools entwickeln, um die Therapie künftig passgenauer gestalten zu können. Bis es so weit ist, braucht es noch Zeit. Zunächst müssen die entdeckten molekularen Marker in klinischen Studien überprüft werden. Tenzer rechnet damit, dass in fünf bis zehn Jahren erste Anwendungen in der klinischen Praxis möglich sind.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit als Erfolgsrezept

Für den Biochemiker ist DIASyM jedoch mehr als ein reines Forschungsprojekt. „Mich treibt an, dass wir verschiedene innovative Technologien miteinander verknüpfen können: Massenspektrometrie, Systemmedizin, Bioinformatik und KI-Forschung, um nur einige zu nennen“, so Tenzer. „Nur gemeinsam können wir die biomedizinische Forschung auf ein neues Niveau heben, um komplexe Krankheiten wie die Herzinsuffizienz künftig besser zu verstehen.“

Massenspektrometrie für die Medizin von morgen

Das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) unterstützt das Forschungsprojekt DIASyM im Rahmen der Förderrichtlinie „MSCoreSys – Forschungskerne für Massenspektrometrie in der Systemmedizin“. Das Ziel der Initiative: Die Massenspektrometrie, eine hochpräzise Messtechnik zur Bestimmung von Molekülen, soll in der medizinischen Forschung und Versorgung fest etabliert werden. Diese Technologie macht es möglich, Tausende Biomoleküle wie Proteine, Fette oder Stoffwechselprodukte zu analysieren – und somit Krankheiten besser zu verstehen, früher zu diagnostizieren und gezielter zu behandeln. An insgesamt vier Standorten in Deutschland sind seit 2019 hochmoderne Forschungszentren mit jeweils eigenem medizinischem Schwerpunkt entstanden. Insgesamt investiert das BMFTR für die Förderlinie rund 71 Millionen Euro. Über gemeinsame Summer Schools, Workshops und Vernetzungsformate arbeiten die Standorte eng zusammen, um ihre Erkenntnisse zu bündeln und die Massenspektrometrie als Schlüsseltechnologie der modernen Medizin weiter voranzubringen.

Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Stefan Tenzer
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Institut für Immunologie – Zentrum für Kardiologie, Präventive Kardiologie
Langenbeckstraße 1
55131 Mainz
tenzer@uni-mainz.de