Bei der Behandlung von Krebserkrankungen können Nebenwirkungen auftreten, wie schmerzhafte Blasen auf der Haut. Bei deren Behandlung setzen Forschende auf einen bereits zugelassenen Wirkstoff – ohne den Erfolg der Krebstherapie zu gefährden.

Wird das körpereigene Abwehrsystem zu stark aktiviert, können Immuntherapien gegen Krebs die Bildung schmerzhafter Blasen auf der Haut auslösen. Kortisonpräparate helfen zwar, die Immunabwehr zu unterdrücken, können aber auch den Erfolg der Krebsbehandlung beeinträchtigen.
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Moderne Immuntherapien helfen bei der Behandlung verschiedener Krebsarten. Dabei stärken sogenannte Immun-Checkpoint-Inhibitoren das körpereigene Abwehrsystem, damit es den Krebs besser bekämpfen kann. Eigentlich dienen Immun-Checkpoints als „Bremsen“ des Immunsystems; sie sollen vermeiden, dass das Abwehrsystem des Körpers eigene Zellen oder eigenes Gewebe für fremd hält und angreift (Autoimmunreaktion). Werden diese Bremsen gelöst, können Krebszellen besser erkannt werden, doch können bei dieser Form der Therapie auch unerwünschte Nebenwirkungen auftreten. Eine solche Nebenwirkung an der Haut ist das immunbedingte bullöse Pemphigoid, abgekürzt „irBP“ (s. Infokasten). Standardmäßig wird die Immuntherapie dann vorübergehend unterbrochen und die Betroffenen erhalten Kortisonpräparate zur Unterdrückung der Immunabwehr. Problematisch daran ist: Eine längerfristige Gabe von Steroiden, zu denen auch Kortison gehört, kann die Krebsbehandlung beeinträchtigen.
In einer Studie hat ein Forschungsteam an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) im Projekt MelAutim nun genauer untersucht, was im Körper der irBP-Patienten geschieht – und ist auf eine mögliche Behandlungsoption mit einem Medikament gestoßen, das bereits für andere Hauterkrankungen zugelassen ist. Das Forschungsvorhaben wird durch das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) unterstützt.
Was bedeutet „irBP“?
Das immunbedingte bullöse Pemphigoid, kurz irBP, ist eine sehr unangenehme Nebenwirkung bestimmter moderner Immuntherapien gegen Krebs. Aufgrund einer Überaktivität des körpereigenen Immunsystems entstehen Antikörper, die bestimmte Bestandteile der Haut angreifen. Ähnlich wie bei Verbrennungen oder schweren Allergien entstehen dadurch mit Flüssigkeit gefüllte, schmerzhafte Blasen. Diese Blasen können stark jucken und auf Armen und Beinen, am Bauch sowie an den Schleimhäuten im Mundraum entstehen.
Professorin Dr. Lucie Heinzerling (re.) mit ihrem Team an der Ludwig-Maximilians-Universität München
LMU München
Mögliche Behandlungsoption dank ähnlicher Signalmoleküle bei Botenstoffen des Immunsystems
Das Team um Professorin Dr. Lucie Heinzerling analysierte Hautproben von drei unterschiedlichen Gruppen und verglich diese miteinander: von Patientinnen und Patienten mit irBP, von Menschen mit einer spontanen Form des bullösen Pemphigoids (BP), die nicht mit Immuntherapie behandelt wurden, sowie von gesunden Personen. Bei ihren Untersuchungen haben die Forschenden eine hochentwickelte Methode genutzt, mit der sich gleichzeitig bis zu 800 Gene aus kleinen Proben wie Gewebe oder Blut analysieren lassen.
„Mit dieser NanoString-Technologie konnten wir die Aktivität von Genen in den Hautzellen messen und haben sowohl Übereinstimmungen als auch Unterschiede bei irBP und BP festgestellt“, so Heinzerling. „Wir konnten zeigen, dass bei beiden Formen – der irBP und dem spontanen BP – bestimmte Signalmoleküle stark erhöht waren“, fasst Heinzerling die Studienergebnisse zusammen. Dabei handelt es sich um Interleukin-4 (IL-4) und Interleukin-13 (IL-13) – Botenstoffe, die von Immunzellen produziert werden. Diese Botenstoffe spielen eine wichtige Rolle bei der Immunantwort, dem Wachstum und der Teilung von Zellen.
Aus diesen Untersuchungen ergibt sich eine vielversprechende neue Behandlungsoption: Wirkstoffe, die IL-4 und IL-13 blockieren, wie das Dupilumab. In früheren Studien habe dieser Antikörper bei spontanem bullösem Pemphigoid eine gute Wirksamkeit bewiesen. „Unsere Studie deutet darauf hin, dass der Wirkstoff auch bei irBP helfen könnte – und zwar ohne die Nachteile einer langfristigen Verabreichung von Steroiden auf die Tumorantwort“, erklärt Heinzerling. „Diese Erkenntnisse hoffen wir mit weiteren Forschungsarbeiten untermauern zu können.“