Eine neue Metaanalyse liefert wichtige Erkenntnisse zur Wirksamkeit von Clozapin in der Behandlung von therapieresistenter Schizophrenie. Mit Blick auf das Ergebnis empfiehlt ein Münchener Forschungsteam, die Arznei mit Umsicht einzusetzen.
Gegen Schizophrenie werden speziell entwickelte Medikamente, die Antipsychotika, eingesetzt. Ein Münchener Forschungsteam untersucht, wie gut sie wirken.
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Als schwere psychische Erkrankung betrifft eine Schizophrenie etwa jeden hundertsten Menschen, und das oft ein Leben lang. Für die Therapie werden insbesondere die sogenannten Antipsychotika eingesetzt. Doch etwa ein Drittel der Betroffenen spricht auf die Standardmedikamente nicht an: Sie gelten als therapieresistent.
Bei diesen Patientinnen und Patienten setzen Fachleute auf das Medikament Clozapin als Goldstandard, da es als besonders wirksam gilt. Auch in den deutschen Behandlungsleitlinien wird der Einsatz des Neuroleptikums empfohlen. Allerdings hat Clozapin schwere Nebenwirkungen: Dazu zählen etwa starke Gewichtszunahme, Benommenheit, Krampfanfälle, Herzmuskelentzündungen oder die Agranulozytose – ein bedrohlicher Abfall der weißen Blutkörperchen.
Schizophrenie
Weltweit ist rund ein Prozent der Menschen von Schizophrenie betroffen, Männer und Frauen in etwa gleich häufig. Die Krankheit ist mit psychischen Symptomen wie Halluzinationen oder Denkstörungen verbunden, die Erkrankten können ihren Gefühlen oft keinen Ausdruck verleihen, sind häufig antriebslos und können daher oft nicht gut am gesellschaftlichen oder beruflichen Leben teilhaben. Weil Schizophrenie in der Regel im frühen Erwachsenenalter beginnt und oft chronisch verläuft, gehört sie zu den Erkrankungen, die laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) am stärksten zu Beeinträchtigungen im Alltag beitragen. Die Lebenserwartung der Betroffenen ist um etwa 15 Jahre verkürzt. Neben einer hohen Suizidrate tragen dazu wahrscheinlich auch die zahlreichen Nebenwirkungen der Antipsychotika bei.
Systematische Übersicht mit neuer Herangehensweise
Seit eine neue Generation von Antipsychotika mit weniger Nebenwirkungen auf den Markt gelangt ist, wird der Einsatz von Clozapin bei therapieresistenter Schizophrenie jedoch zunehmend hinterfragt. „Von der Datenlage her war nicht klar, ob Clozapin wirklich den neueren Antipsychotika wie Olanzapin oder Risperidon überlegen ist. Bisherige Metanalysen zeigten hier widersprüchliche Ergebnisse“, sagt Dr. Johannes Schneider-Thoma. Der Spezialist für evidenzbasierte Medizin in der Psychiatrie forscht im Team von Professor Dr. Stefan Leucht an der Technischen Universität München.
Um zu klären, wie sich die Wirksamkeit von Clozapin von Antipsychotika der zweiten Generation unterscheidet, hat das Team um Schneider-Thoma eine sogenannte Einzelpatientendaten-Metaanalyse durchgeführt. Diese relativ neue und anspruchsvolle statistische Methode fasst nicht nur die Daten aus mehreren Einzelstudien zu einem Gesamtergebnis zusammen. Die Forschenden haben zudem Zugriff auf die Originaldaten einzelner Patientinnen und Patienten aus den Studien. „Damit können wir passend zur Fragestellung die Ergebnisse aus verschiedenen Einzelstudien vereinheitlichen und damit präzisere Aussagen treffen, wie die Medikamente wirken“, erläutert Schneider-Thoma. Das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) hat die Studie mit rund 180.000 Euro gefördert.
Dr. Johannes Schneider-Thoma
Keine klare Überlegenheit von Clozapin nachweisbar
Insgesamt haben die Münchener Forschenden Daten von 19 Studien mit insgesamt 1599 Teilnehmenden in ihrer Metaanalyse ausgewertet. Individuelle Patientendaten waren für 12 der 19 Studien (1052 Patienten) verfügbar. Von Projektbeginn an waren Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörige aktiv an der Planung, Durchführung und Auswertung beteiligt.
Und tatsächlich: Die Forschenden fanden keinen Nachweis dafür, dass Clozapin wirksamer als andere atypische Antipsychotika ist. „Auch nach sorgfältiger Angleichung der Einzelstudien konnten wir in unserer Metaanalyse nicht nachweisen, dass Clozapin besser wirkt als Olanzapin oder Risperidon“, so Schneider-Thoma.
Was folgt daraus für Erkrankte und Behandelnde? „Wir möchten mit unserer Arbeit nicht gegen die Verwendung von Clozapin sprechen, aber dabei zu Umsicht mahnen“, erklärt der Psychiater und betont, man habe die Ergebnisse der Metaanalyse aufgrund der hohen klinischen Bedeutung eher vorsichtig interpretiert.
„Angesichts der unangenehmen und teilweise gefährlichen Nebenwirkungen sprechen unsere Ergebnisse dafür, einen Therapieversuch mit Clozapin erst in Betracht zu ziehen, wenn andere Antipsychotika wie Olanzapin oder Risperidon nicht ausreichend wirksam waren“, so Schneider-Thoma.
Der Weltgehirntag macht auf die Bedeutung eines gesunden Gehirns sowie die Prävention von neurologischen und psychischen Erkrankungen aufmerksam. Der Aktionstag wird von der Word Federation of Neurology (WFN) koordiniert. Das diesjährige Motto „Brain health for all ages“ betont, wie wichtig es ist, die Gehirngesundheit in jeder Lebensphase zu schützen und zu fördern.
Ergebnisse für Behandlungsleitlinien relevant
Bleibe ein Behandlungserfolg unter Clozapin aber aus, sei es nicht in Stein gemeißelt, dass das Neuroleptikum bei Therapieresistenz verwendet werden müsse. Er rät in diesem Fall dazu, ein Absetzen des Medikaments zur Reduktion von Nebenwirkungen zu erwägen. „Für die Betroffenen ist es dabei wichtig, nicht eigenmächtig, sondern in Rücksprache mit den behandelnden Ärzten, unter enger Supervision und in kleinen Schritten die Dosis zu reduzieren“, unterstreicht Schneider-Thoma.
Andernfalls könnten unangenehme Absetzphänomene und vor allem verstärkte Symptome der schizophrenen Psychose die Folge sein. Weiter sollten Betroffene mit Ärzten und Angehörigen gemeinsam besprechen, ob Antipsychotika insgesamt abgesetzt werden sollen oder ein anderes, besser verträglicheres Antipsychotikum infrage kommt.
Die Ergebnisse der Metaanalyse dürften einen großen Einfluss auf Behandlungsleitlinien und die klinische Praxis haben. Das Münchener Forschungsteam hat zudem eine laienverständliche Aufarbeitung der Ergebnisse erstellt, um diese über Patientenorganisationen zu verbreiten.
Originalpublikation:
Schneider-Thoma J., Hamza T., et al. (2025) Efficacy of clozapine versus second-generation antipsychotics in people with treatment-resistant schizophrenia: a systematic review and individual patient data meta-analysis. The Lancet Psychiatry doi: 10.1016/S2215-0366(25)00001-X.