20.10.2025

| Aktuelle Meldung

Neue Testverfahren für wirksamere Therapien bei Osteoporose

Die Volkskrankheit Osteoporose oder auch Knochenschwund hat einen dringenden Forschungsbedarf. Neben einer besseren Früherkennung geht es um die Entwicklung neuer Therapien. Forschende setzen dafür auf neue Testverfahren.

Eine Ärztin bespricht mit einer Patientin Röntgenbilder auf einem Bildschirm

Der Forschungsbedarf zur Osteoporose ist hoch – gebraucht werden neue und wirksamere Therapien, die den Knochenschwund aufhalten oder rückgängig machen können.

B. BOISSONNET / BSIP – stock.adobe.com

Schmerzen, eingeschränkte Beweglichkeit und psychische Belastungen prägen den Alltag von Menschen mit Osteoporose. Die Knochen sind bei den Betroffenen durch einen Abbau der Knochensubstanz so porös, dass bereits ein für andere harmloser Sturz zu Knochenbrüchen führen kann. Osteoporose betrifft allein in Deutschland sechs bis acht Millionen Menschen. Die WHO hat Osteoporose als eine Volkskrankheit mit einem dringenden Forschungsbedarf eingestuft. Dabei geht es neben einer verbesserten Früherkennung vor allem um die Entwicklung neuer und wirksamerer Therapien, die den Knochenschwund aufhalten oder rückgängig machen können.

Potentielle neue Medikamente, die sich aus der Forschung ergeben, müssen in Deutschland zunächst in Tierversuchen untersucht werden. Dies ist ein sehr aufwendiger Prozess, der häufig mit Rückschlägen einhergeht und viel Zeit kostet. Um die Entwicklung neuer Therapien voranzutreiben, setzt das Projekt „InViTOP“ auf innovative Testverfahren in der Wirkstoffentwicklung. Die Forschenden wollen dafür eine sogenannte in-vitro-Testbatterie entwickeln. Dabei handelt sich um eine Reihe von unterschiedlichen Laborversuchen mit Zell- oder Gewebekulturen aus menschlichen Knochenzellen, die anstelle von Tierversuchen zum Einsatz kommen sollen. Das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) unterstützt dieses Projekt im Rahmen der Fördermaßnahme „Alternativmethoden zum Tierversuch“.

Fehlende Übertragbarkeit vom Tier auf den Menschen

Tierversuche gelten bei der Erprobung von Wirkstoffkandidaten nach wie vor als Goldstandard – also als beste verfügbare Methode, obwohl sie nicht immer auf den Menschen übertragbar sind. „Problematisch wird es, wenn Medikamente auf human-spezifische Zielstrukturen abzielen, die im Tier gar nicht vorhanden sind“, erläutert Dr. Alexandra Damerau vom Projektteam der Charité – Universitätsmedizin Berlin. In den Versuchen der Testbatterie sollen deshalb menschliche Knochenzellen zum Einsatz kommen, um die Wirkung von Medikamenten gegen Osteoporose zu untersuchen. „Vereinfacht gesagt, ist der Mensch eben keine 70 Kilogramm schwere Maus“, fasst Damerau die Problematik wie viele andere Forschende kurz zusammen.

Für die Entwicklung der in-vitro-Testbatterie können die Forschenden auf umfangreiche Vorarbeiten zurückgreifen. Die laborbasierten in-vitro-Systeme sind inzwischen weit fortgeschritten. In den Versuchen werden einzelne Zellen oder auch ganzes Gewebe im Labor gezüchtet, um biologische Prozesse außerhalb des Körpers in einer standardisierten Umgebung zu untersuchen. Die Testbatterie umfasst eine Reihe von in-vitro-Versuchen, die nacheinander oder parallel durchgeführt werden, um verschiedene Parameter wie die Knochendichte zu ermitteln. Je nach Anforderung kultivieren die Forschenden die Zellen dafür in zwei- oder dreidimensionalen Systemen. Das Gewebe besteht dabei im Wesentlichen aus zwei Sorten von Zellen: knochenaufbauenden und knochenabbauenden Zellen. Im gesunden Knochen befindet sich die Aktivität von aufbauenden und abbauenden Zellen in einem dynamischen Gleichgewicht. Wird dieses Gleichgewicht gestört – etwa durch einen gesteigerten Knochenabbau oder eine verminderte Knochenneubildung – kann dies zur Entwicklung einer Osteoporose führen.

Für die Erprobung von Wirkstoffen, die dieses Gleichgewicht wiederherstellen sollen, haben die Zulassungsbehörden genaue Grenzwerte etwa für die Knochendichte festgelegt, um die Wirksamkeit zu ermitteln. Diese unterschiedlichen Grenzwerte will das Forschungsteam mit jeweils passenden in-vitro-Versuchen ermitteln, erst dann kommen alle Versuche zusammengefasst in der Testbatterie als Alternative zum Tierversuch in Frage. Gleichzeitig sollte der Aufwand zur Durchführung der Experimente möglichst gering sein, damit ein effizienter Einsatz in der Industrie realistisch ist. „Die Testbatterie muss am Ende so komplex wie nötig und so einfach wie möglich sein“, sagt Damerau.

Große Pharmafirmen haben bereits Interesse

Ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zur Anwendung ist die Zulassung der Testbatterie durch die Behörden. Dafür kooperieren die Forschenden im Projekt mit dem Deutschen Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R). So können sie frühzeitig die entsprechenden Regularien prüfen und implementieren. „Unser Ziel ist es, die Testbatterie in den drei Jahren Projektlaufzeit fertigzustellen und eine Anwendung zu ermöglichen“, erklärt Damerau. „Große Pharmafirmen haben bereits ihr Interesse bekundet“, ergänzt ihr Kollege Dr. Moritz Pfeiffenberger. „Das ist eine große Motivation für uns“.

Neben einer beschleunigten Suche nach neuen Medikamenten könnte die Testbatterie den Patientinnen und Patienten auch noch einen weiteren Nutzen bringen. Medikamente, die zur Behandlung anderer Erkrankungen eingesetzt werden, können nämlich ebenfalls Osteoporose verursachen. Einem solchen Verdacht kann die Forschung bislang nur mit langwierigen Tierversuchen nachgehen. „Unsere Testbatterie könnte hier in Zukunft hoffentlich schnell Klarheit bringen und schwerwiegende Nebenwirkungen verhindern“, betont Pfeiffenberger.

Lange Tradition der Alternativmethoden-Förderung

Schon seit 1980 treibt das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) die Suche nach Alternativen zum Tierversuch voran – bislang in mehr als 700 Forschungsprojekten mit einem Fördervolumen von insgesamt rund 240 Millionen Euro. Die geförderten Projekte decken ein breites Spektrum an Ersatzmethoden ab, die auf dem so genannten 3R-Prinzip basieren. Dazu zählen Testverfahren, die Tierversuche entweder vollständig ersetzen (Replacement) oder – falls dies nicht möglich ist – die Anzahl der verwendeten Tiere reduzieren (Reduction) bzw. das Leiden der Tiere verringern können (Refinement).


Für eine bessere Vernetzung aller Akteurinnen und Akteure aus Forschung, Industrie und Regulierungsbehörden hat das BMFTR zudem Anfang des Jahres 2022 die Vernetzungsinitiative „Bundesnetzwerk 3R“ gestartet. Das Netzwerk soll die Entstehung einer erweiterten Community zur Alternativmethoden-Forschung unterstützen, den Wissenstransfer und den Dialog untereinander stärken und somit den Ausbau der 3R-Forschung weiter voranbringen.