Es ist wie eine Nadel im Heuhaufen: Ein internationales Forschungsteam hat weltweit über 2300 HIV-Infizierte untersucht und dabei einen Antikörper entdeckt, der in Labortests nahezu alle bekannten HIV-Varianten neutralisieren kann.

Molekulare Bindung des Antikörpers 04_A06 (blau) an das Hüllprotein des HI-Virus (grau). © Uniklinik Köln/Lutz Gieselmann
Der Antikörper 04_A06 hat sozusagen „Superkräfte“: Forschende unter der Leitung eines Teams des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) wiesen nach, dass dieses kleine Eiweißmolekül 98,5 Prozent von mehr als 300 verschiedenen HIV-Stämmen neutralisieren kann. Damit ist 04_A06 einer der wirksamsten Antikörper gegen HIV, der bisher identifiziert wurde. In Versuchen mit humanisierten Mäusen – Tieren mit einem Immunsystem, das so verändert wurde, dass es dem menschlichen ähnelt – senkte 04_A06 die HI-Viruslast dauerhaft auf nicht mehr nachweisbare Werte. Die meisten HIV-1 Antikörper erzielen nur kurzfristige Effekte, da sich die Viren schnell verändern und deshalb auch schnell Resistenzen gegen ihre molekularen Widersacher entwickeln können.
Bei 04_A06 ist das anders: Dieser neu entdeckte Antikörper besitzt eine ungewöhnlich lange Aminosäure-Kette, die wie ein zusätzlicher „Greifarm“ wirkt. Diese ermöglicht dem Antikörper, sich an schwer zugänglichen Bereichen des Virus festzuhalten. Diese Stellen sind möglicherweise für das Virus so wichtig, dass jede Veränderung auch die Funktionsfähigkeit des Krankheitserregers beeinträchtigen würde. Der Ausweg einer sogenannten „Fluchtmutation“ – einer genetischen Veränderung dieser Struktur, um dem Antikörper zu entkommen – ist dem Virus damit versperrt.
Antikörpertherapie gegen HIV
Antikörper sind Eiweißmoleküle des Immunsystems. Antikörper, die gegen das HIV-Oberflächenprotein gerichtet sind, können HI-Viren so daran hindern, überhaupt in die menschlichen Zellen einzudringen. Die Antikörpertherapie gegen HIV gilt daher als ein vielversprechender Forschungsansatz, der das Potenzial hat, die HIV-Infektion zu behandeln oder zu verhindern.
Neben den Labortests nutzten die Forschenden auch Computermodelle, um die Schutzwirkung von 04_A06 einzuschätzen. Die Modelle sagten voraus, dass eine einmalige Gabe in klinischen Anwendungen über 93 Prozent Schutzwirkung für den Zeitraum von sechs Monaten bieten könnte. Professor Dr. Florian Klein, Direktor des Instituts für Virologie an der Uniklinik Köln und Leiter der Studie: „Der nächste Schritt ist, die Sicherheit und Wirksamkeit des Antikörpers in klinischen Studien zu prüfen und so den Weg in die Patientenversorgung vorzubereiten.“