Bei uns eher unbekannt, weltweit ein großes Problem: Mehr als 650 Millionen Menschen in ärmeren Ländern sind von der Wurmerkrankung Lymphatische Filariose bedroht. Das afrikanisch-deutsche Forschungsnetzwerk TAKeOFF arbeitet daran, die Erkrankung einzudämmen.
Ein Teammitglied des TAKeOFF-Forschungsnetzwerkes demonstriert einer Patientin das richtige Vorgehen bei der täglichen Fußhygiene.
TAKeOFF Team Ghana, KCCR
Mikroskopisch klein sind die Larven von Fadenwürmern (Filarien). So klein, dass sie über den Stich einer Mücke in den menschlichen Körper gelangen – mit teilweise fatalen Folgen für die Betroffenen. Die durch sie hervorgerufene Infektionskrankheit, die Lymphatische Filariose, zählt zu den 21 sogenannten vernachlässigten Tropenkrankheiten (engl.: Neglected Tropical Diseases, NTD). Diese Krankheiten treten vor allem in Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen auf und führen dort zu einer besonders hohen Krankheitslast. Sie einzudämmen und auszurotten, ist Teil des Aktionsplans 2030 der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Lymphatische Filariose und Podokoniose
Bei der Lymphatischen Filariose handelt es sich um eine durch Stechmücken übertragene Infektion mit den Larven von Fadenwürmern (Filarien). Im menschlichen Körper können die Würmer bis zu acht Zentimeter lang werden. Sie nisten sich in den Lymphgefäßen ein, diese entzünden sich und vernarben beziehungsweise erweitern sich als Folge der Entzündung. So entsteht eine chronische Entzündung, die den Lymphabfluss stört und groteske Schwellungen vor allem an Füßen und Beinen hervorruft. Die Erkrankung verläuft selten tödlich, ist aber mit starken Schmerzen, großem seelischen Leid und Stigmatisierung sowie sozialer Ausgrenzung verbunden. Weltweit leiden etwa 68 Millionen Menschen an Lymphatischer Filariose, bei etwa 40 Millionen Menschen kommt es zur schlimmsten Ausprägung des Lymphödems, der „Elephantiasis“.
Im tropischen Hochland Zentralafrikas ist eine nicht-infektiöse Form der Elephantiasis verbreitet, die Podokoniose. Sie ist auf Mikropartikel zurückzuführen, die in Böden vulkanischen Ursprungs vorkommen und beim Barfußlaufen durch die Haut ins Gewebe eindringen und Entzündungen hervorrufen.
Die Krankheit schädigt das Lymphsystem und kann zu chronischen Schwellungen an Beinen, den Genitalien und anderen Körperteilen führen, was als Lymphödem bezeichnet wird. Ein zentraler Ansatzpunkt im Kampf gegen das filarienbedingte Lymphödem ist ein wirkungsvolles Krankheitsmanagement − eine koordinierte und strukturierte Versorgung bei chronischen Erkrankungen. „Mit den von uns durchgeführten klinischen Studien konnten wir den Erfolg dieses Krankheitsmanagements wissenschaftlich bestätigen“, beschreibt Professor Achim Hörauf, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie am Universitätsklinikum Bonn. „Mit diesen Maßnahmen lindern wir nicht nur die Krankheitslast der einzelnen Patientinnen und Patienten, sondern tragen auch dazu bei, die Ausbreitung der Filarien einzudämmen und so neue Infektionen zu verhindern.“
Gemeinsam mit Professor Alexander Yaw Debrah, Kwame Nkrumah University of Science and Technology in Ghana, leitet Hörauf das Forschungsnetzwerk TAKeOFF (engl. „Tackling the obstacles to fight filarial infections and podoconiosis“). In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanzierten Forschungsnetzwerk haben sich Infektionsforscherinnen und -forscher aus drei afrikanischen Ländern (Ghana, Tansania und Kamerun) mit zwei deutschen Universitäten (Bonn und München) zusammengeschlossen.
Forschungsnetzwerke für Gesundheitsinnovationen in Subsahara-Afrika
TAKeOFF ist eines der Forschungsnetzwerke für Gesundheitsinnovationen in Subsahara-Afrika. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat diese afrikanisch-deutsche Zusammenarbeit in der medizinischen Forschung 2016 auf den Weg gebracht. Ihr wichtigstes Ziel ist es, eine Verbesserung der Gesundheitssituation der Menschen in Subsahara-Afrika zu erreichen. Unter der Abkürzung RHISSA (Research Networks for Health Innovations in Sub-Saharan Africa) startete die Maßnahme im Jahr 2023 in eine zweite Förderphase, die auf weitere fünf Jahre ausgelegt ist.
Ein Krankheitsmanagement aus vielen Einzelmaßnahmen
Das untersuchte Krankheitsmanagement basiert insbesondere auf Hygienemaßnahmen. Die Schwellungen und Wunden, die zumeist an den Füßen und Beinen der Erkrankten auftreten, müssen ein- bis zweimal täglich sorgfältig gereinigt und gegebenenfalls mit antiseptischen Salben versorgt werden. Hinzu kommen weitere Maßnahmen, wie leichte körperliche Aktivitäten, das Hochlegen des betroffenen Beines und einfache Massagetechniken − aber auch das Tragen von entsprechend angepasstem Schuhwerk. Einige Patientinnen und Patienten profitieren zudem von der Einnahme des Antibiotikums Doxycyclin.
„Die Durchführung unserer Studien war enorm herausfordernd. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben weite und zum Teil gefährliche Wege auf sich genommen, um die Bevölkerung in den oft nur schwer zugänglichen dörflichen Gemeinschaften aufzusuchen und sie im Krankheitsmanagement zu schulen“, so Hörauf. „Mit Erfolg: Insgesamt konnten wir rund 1400 Patientinnen und Patienten, die unter einer fortgeschrittenen Lymphatischen Filariose litten, in die Studien einschließen – und ihren Krankheitsverlauf über zwei Jahre hinweg umfassend verfolgen. Das sind wichtige Daten, die beispielsweise in die Therapieempfehlungen der WHO einfließen.“
Wichtige Erfolge bereits in der ersten Förderphase
Bereits in der ersten Förderphase von 2016 bis 2022 konnte das Netzwerk eine Plattform aufbauen, die klinische Studien und Forschungen zu Filarien mit der Patientenversorgung eng verzahnt. Über diese Plattform konnten sie unter anderem ausreichend Personal dafür ausbilden, die klinischen Studien zum Krankheitsmanagement durchzuführen. Den Forschenden ist es zudem gelungen, in den Partnerländern eigenständige Behandlungszentren aufzubauen, die zahlreiche Erkrankte versorgen können. Außerdem etablierten sie unter anderem die Möglichkeit, Patientinnen und Patienten unter Nutzung von Mobiltelefonen zu rekrutieren – und erreichten so deutlich mehr Betroffene als über den klassischen Informationsweg durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Nationalen NTD Gesundheitsprogramms. Diese statten den betroffenen Gemeinden in der Regel einmal im Jahr einen Besuch ab und haben deshalb nicht die ausreichende Kapazität, sich um das Krankheitsmanagement zu kümmern.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) stärkt den Kampf gegen Filariosen auch über die Drugs for Neglected Diseases Initiative (DNDi). Die Initiative verfolgt das Ziel, Forschung, Entwicklung und Bereitstellung von einfach einzunehmenden Medikamenten gegen vernachlässigte Krankheiten zu fördern.
Das BMBF fördert DNDi als eine von insgesamt sechs Produktentwicklungspartnerschaften (PDPs). PDPs sind Non-Profit-Organisationen, die neue, wirksame und erschwingliche Impfstoffe, Medikamente und Diagnostika gegen vernachlässigte und armutsbedingte Tropenkrankheiten entwickeln, für die nur ein sehr eingeschränkter kommerzieller Markt besteht. Dafür bündeln sie das Wissen aus Wissenschaft, Industrie und Zivilgesellschaft und werden von öffentlichen und privaten Geldgebern finanziert. Aktuell läuft die dritte Förderphase, für die das BMBF insgesamt bis zu 50 Millionen Euro zur Verfügung stellt. In zwei vorangegangenen Förderphasen wurden PDPs von 2011 bis 2022 bereits mit rund 189 Millionen Euro gefördert.
Mehr Informationen:
Aus dem Schatten heraus – Die Geschichte von DNDi - Gesundheitsforschung BMBF