An chronischer Nierenkrankheit (CKD) erkrankte Frauen erhalten oft eine schlechtere Versorgung als Männer. Das Team um Prof. Dr. Sylvia Stracke untersucht daher, ob die medizinischen Leitlinien Geschlechteraspekte ausreichend berücksichtigen.
1. Welches Ziel verfolgen Sie mit Ihrem Projekt INSiGhT CKD?
Medizinische Leitlinien – wissenschaftlich fundierte, praxisorientierte Handlungsempfehlungen für Ärztinnen und Ärzte – sind eine wichtige Säule der medizinischen Versorgung. Sie können jedoch von sehr unterschiedlicher Qualität sein. In unserem Projekt werden wir die medizinischen Leitlinien zur chronischen Nierenkrankheit (CKD) daraufhin untersuchen, ob in ihnen auch geschlechtsspezifische Therapieempfehlungen berücksichtigt werden.
Prof. Dr. Sylvia Stracke
Universitätsmedizin Greifswald
2. Wie gehen Sie dabei vor?
Wir blicken sowohl auf deutsch- als auch auf englischsprachige Leitlinien zur CKD der vergangenen zehn Jahre und stellen unsere Ergebnisse zusammenfassend in einem sogenannten Systematischen Review dar. Dabei beziehen wir sowohl das biologische (sex) als auch das soziale Geschlecht (gender) ein. Auf diese Weise tragen wir dazu bei, offene Forschungsfragen zu finden. Auch werden wir in unserem Projekt Beratungstools und Checklisten für eine geschlechtssensible Leitlinienerstellung entwickeln.
Die von uns eingesetzten Methoden könnten sich auch auf andere Leitlinien übertragen lassen: In Kooperation mit der Medizininformatik testen wir, ob die Anwendung von KI (künstlicher Intelligenz)- und NLP (natural language processing)-gestützten Algorithmen zur effizienten Analyse klinischer Leitlinien sinnvoll einsetzbar ist. Ziel ist es, geschlechtersensible Inhalte automatisiert zu finden, zu kategorisieren und auch Wissenslücken zu identifizieren.
3. Bitte vervollständigen Sie für uns den folgenden Satz:
„Im Jahr 2035 wird der Gender Data Gap …“
... in bestimmten Bereichen der medizinischen Forschung und Gesundheitsversorgung verringert sein, während er in anderen fortbesteht. Inwiefern es gelingt, die Lücke zu schließen, hängt wesentlich von der Umsetzung institutioneller, methodischer und bildungspolitischer Maßnahmen zur Förderung geschlechtersensibler Datenerhebung und -auswertung ab. Ein wichtiger Hinderungsgrund sind weiterhin bestehende Machtasymmetrien zwischen Männern und Frauen. Aber auch fehlende regulatorische Vorgaben und eine unzureichende Umsetzung geschlechtersensibler Standards in der Forschung und in der Versorgung spielen eine Rolle.