28.11.2025

| Aktuelle Meldung

„Ein vielversprechender Ansatz gegen HIV-Infektionen“

Ein neu entdeckter Antikörper zeigte sich in Labortests besonders wirksam gegen eine Vielzahl von Varianten des HI-Virus. Im Interview beschreibt der Virologe Florian Klein die Suche nach dem kleinen Eiweiß mit den großen Bindungskräften. 

Porträtfoto des Studienleiters Prof. Dr. Florian Klein

Studienleiter Professor Dr. Florian Klein, Forscher am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) und Direktor des Instituts für Virologie an der Uniklinik Köln. 

MedizinFotoKöln/Klaus Schmidt

Herr Prof. Klein, wie haben Sie und Ihr Team diesen besonders vielversprechenden Antikörper gefunden?

Das ist das Ergebnis einer sehr guten internationalen Zusammenarbeit mit Forschungsgruppen in Deutschland, Tansania, Nepal, Kamerun und den USA. Zusammen haben wir die Blut-Seren von über 2300 HIV-positiven Personen gescreent und auf neutralisierende Antikörper untersucht. So konnten wir 30 Studienteilnehmende identifizieren, deren Seren besonders viele unterschiedliche HIV-Stämme effektiv neutralisieren können. Diese Personen bezeichnen wir als „Elite Neutraliser“. Von dieser besonderen Gruppe haben wir dann über 5000 B-Lymphozyten - also Zellen, die den Bauplan der Antikörper in sich tragen - auf Einzelzellebene untersucht. Über 800 dieser Antikörper wurden in der Folge von uns hergestellt und im Detail charakterisiert. Am Ende zeigte sich 04_A06 als der Antikörper mit der stärksten Neutralisationsaktivität. In der Tat konnte 04_A06 unter Zellkulturbedingungen 98 Prozent der getesteten HI-Viren unschädlich machen.

Was ist bei den „Elite Neutralisern“ anders als bei anderen Menschen?

Häufig handelt es sich um Menschen, die schon viele Jahre oder Jahrzehnte mit HIV infiziert sind, sodass deren Immunsystem sich schon lange mit einer chronischen HIV-Infektion auseinandersetzen musste. Auch kann die Infektion mit einer bestimmten Gruppe von HI-Viren mit der Entwicklung einer stärkeren Antikörperantwort einhergehen. Den Antikörper 04_A06 haben wir in Tansania entdeckt. Letztendlich kann so ein besonderer Antikörper jedoch in jeder Person mit einer HIV-Infektion entstehen – auch in Deutschland haben wir schon vielversprechende Kandidaten gefunden. Die infizierten Personen profitieren leider selbst nicht von den besonders wirkungsvollen Antikörpern: Im Wettlauf zwischen Mensch und Virus ist das Virus meist einen Schritt voraus und hat es geschafft, durch eine Mutation der Immunantwort zu entkommen.  

Die klinische Entwicklung in Zusammenarbeit mit einer Pharmafirma ist in Vorbereitung. Wer könnte profitieren, falls der Antikörper in die Anwendung kommt?

Wir sehen mehrere Einsatzmöglichkeiten, die sich aus der hohen antiviralen Aktivität, aber auch aus der langen Halbwertzeit – d.h. der Antikörper bleibt nach Gabe lange im Blut nachweisbar – ergeben. Zum einen in der Prävention: Er könnte also Menschen schützen, die ein hohes Infektionsrisiko haben, wie beispielweise Kinder einer HIV-positiven Mutter, wenn diese keinen sicheren Zugang zu täglichen Medikamenten hat. Auch wäre ein Wirkstoff, der nicht täglich in Form von Tabletten eingenommen werden muss, sondern alle drei bis sechs Monate als Infusion oder Spritze gegeben werden kann, eine große Hilfe für Menschen, für die eine tägliche Medikamenteneinnahme aus unterschiedlichen Gründen eine Schwierigkeit darstellt.

Besteht denn auch die Hoffnung auf Heilung?

Tatsächlich gibt es Hinweise darauf, dass eine gezielte Antikörpertherapie bei manchen Patienten das Immunsystem so stimulieren kann, dass es zu einer langfristigen HIV-Kontrolle kommt. Auch nach Absetzen der klassischen HIV-Medikamente ist das Virus im Blut dieser Patienten teilweise über viele Jahre unter der Nachweisgrenze, was wir als „funktionelle Heilung“ bezeichnen. Mit unserer Forschung möchten wir dazu beitragen, diese Mechanismen besser zu verstehen und den Anteil dieser Personen zu erhöhen. 

Der Welt-AIDS-Tag rückt seit 1988 am 1. Dezember das Thema AIDS in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Vor welche Herausforderungen stellt diese Krankheit uns heute?

Wir müssen erreichen, dass alle Menschen Zugang zur Diagnostik und Therapie einer HIV-Infektion haben.  Zudem brauchen wir weiterhin internationale Forschung, um neue Strategien zu entwickeln, wie wir diese Infektionskrankheit kontrollieren können. Schon heute gibt es sehr gute Medikamente – eine HIV-Infektion ist noch nicht heilbar, aber in Deutschland sehr gut behandelbar und Personen, die mit einer HIV-Infektion leben, haben mit der richtigen Therapie eine fast normale Lebenserwartung. In anderen Regionen der Welt ist die Situation hingegen besorgniserregend: Insbesondere in Subsahara-Afrika leben sehr viele junge Menschen mit HIV, die keinen Zugang zu Diagnostik und Therapie haben. Aufgrund des deutlichen Rückgangs internationaler Hilfsgelder aus den USA ist in den kommenden Jahren mit einem Anstieg der Infektions- und Todeszahlen zu rechnen. Es braucht daher einen weltweiten Einsatz, um alle Menschen vor einer HIV-Infektion oder dem Fortschreiten einer HIV-Erkrankung schützen zu können.

Vielen Dank für das Gespräch!